23.05.2018 Ι Digitalisierung, Globalisierung: Unsere Arbeitsgesellschaft steht vor drastischen Umbrüchen. Wie bleibt die Arbeit menschenwürdig? Brauchen wir überhaupt noch Erwerbsarbeit? Ein Netzwerk von Gewerkschaftern und Betriebsseelsorgern gibt jetzt neue Antworten.
Klaus Lang hat eine Vision: Er will Deutschland zu einem Land machen, in dem Beschäftigte keine Angst mehr haben müssen – nicht um den eigenen Arbeitsplatz und auch nicht darum, ob das Geld bis zum Ende des Monats reicht. Soziale Sicherheit, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, menschenwürdige Gestaltung der Arbeitswelt, das sind seine Stichwörter.
Lang ist Mitglied im „Sozialethischen Arbeitskreis Kirchen und Gewerkschaften“ (SAK-KG), einem Zusammenschluss von Gewerkschaftern, Betriebsseelsorgern und Sozialethikern beider christlichen Kirchen. Den Arbeitskreis treiben ähnliche Fragen um wie die Gewerkschaften. Auch deshalb sind sieben seiner Mitglieder an diesem Mittwoch in die Frankfurter IG Metall-Zentrale gekommen, um ein neues Memorandum zu übergeben.
„Wir erleben derzeit eine paradoxe Situation: Der höchste Stand der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung seit der deutschen Wiedervereinigung geht einher mit einem fast ebenso hohen Maß an Verunsicherung über die Zukunft der Arbeit“, so steht es in einem Memorandum, das Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, entgegennahm.
Das Memorandum enthält zehn „Impulse“ zu Neugestaltung der Arbeitswelt. Die Vorschläge reichen von der Eindämmung der Leiharbeit und befristeter Beschäftigung über das Recht auf Weiterbildung bis hin zum Ausbau der Mitbestimmung in den Unternehmen. Mit einer „radikalen Reform“ soll ein neues Maß an sozialer Sicherheit geschaffen werden.
Bei Hofmann fallen die Impulse auf fruchtbaren Boden. Kaum ein Thema beschäftigt ihn so wie die überall spürbare Transformation der Arbeitswelt. Auch er fragt sich wie es gelingen kann, alle Menschen sicher und selbstbestimmt durch den tiefgreifenden Wandel zu bringen, den Globalisierung und Digitalisierung unaufhörlich befeuern.
Im Detail stellen sich dabei viele Fragen. Auf längst nicht alle gibt es schon Antworten. Doch welcher Grundsatz gelten soll, ist für Hofmann klar: „So vieles sich auch ändern mag: Maßstab muss der Mensch bleiben.“ Und noch etwas bleibe bestehen: „Arbeit ist weiterhin zentral für das Leben der Menschen – als Grundlage für Einkommen, soziale Absicherung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.“
Einig sind sich der IG Metall-Vorsitzende und die Arbeitskreismitglieder deshalb beim bedingungslosen Grundeinkommen: Sie lehnen es ab. Die Begründung von Klaus Lang: „Erwerbsarbeit bleibt für die Verteilung von Lebenschancen entscheidend. Weder die Bezieher noch die Bezahler eines Grundeinkommens werden auf Dauer zufrieden sein.“
Hofmann will die Arbeitgeber nicht aus der Pflicht lassen: Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen würden sich die Unternehmen ihrer Verantwortung für den Sozialstaat entziehen.
Die Antworten auf die Umbrüche der Arbeitsgesellschaft müssen also anders lauten. Der Sozialethische Arbeitskreis hat dazu eine Vision entworfen. Ob sie Wirklichkeit wird, hängt nicht zuletzt von der Kraft der Gewerkschaften ab.
Lesetipp: Das Memorandum des Sozialethischen Arbeitskreises im Wortlaut.