Radikale Reform der Erwerbsarbeit
Zukunftweisende Arbeitsverfassung statt bedingungslosem Grundeinkommen
Eine grundlegende und nachhaltige Reform der Arbeitsgesellschaft fordert der „Sozialethische Arbeitskreis Kirchen und Gewerkschaften“ in einem „Zwischenruf“ mit dem Titel: „Für eine radikal reformierte Arbeitsgesellschaft! Grundpositionen und Impulse“. Das Zusammentreffen von Globalisierung, Digitalisierung, demographischem Wandel und Migration verändere weltweit die Gesellschaften und die Bedingungen für Erwerbsarbeit fundamental und in großem Tempo. Das löse bei vielen Menschen Ängste und Befürchtungen aus. Aus der Sicht des Arbeitskreises sei daher die grundlegende Frage neu zu klären, „welchen Stellenwert die Erwerbsarbeit als Grundlage für Einkommen, Selbstwert, soziale Sicherung und demokratische Teilhabe angesichts der digitalen Revolution“ gegenwärtig und in Zukunft haben soll.
Der „Sozialethische Arbeitskreis Kirchen und Gewerkschaften“ ist ein Zusammenschluss von Gewerkschaftssekretären, Sozialethikern und Industriepfarrern beider Kirchen. Er nimmt seit 1984 zu aktuellen Fragen des Arbeitslebens und der Arbeitsgesellschaft öffentlich Stellung. Mit seinem „Zwischenruf“ will er auch heute die Diskussion in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft anregen – vor allem über gerechte Arbeitsverträge, gemeinschaftsverträgliche sowie familiengerechte Arbeitszeiten und die Regulierung neuer Formen der Erwerbsarbeit – auch in den Kirchen und ihren Einrichtungen.
Chancen der Erwerbsarbeit
Die Autoren dieses „Zwischenrufes“ vertreten in der Debatte um „Arbeit 4.0“ die Auffassung, dass die Erwerbsarbeit weiterhin für alle Menschen die besten Chancen “der materiellen Sicherung, der aktiven Lebensgestaltung, der gesellschaftlichen Anerkennung, der sozialen Teilhabe und der politischen Gestaltung“ bieten könne.
Gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen
Der Arbeitskreis spricht sich nachdrücklich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) aus. Es entlaste die Unternehmen von der Verantwortung für Erwerbsarbeit und Einkommen, schwäche und entmachte die Gewerkschaften und lasse den Staat allein über die Höhe dieses Einkommens entscheiden. Die Autoren geben insbesondere zu bedenken: „Die Empfänger von leistungslosem Einkommen … werden sich immer als Bittsteller gegenüber dem Staat empfinden müssen. Und die, die das BGE über hohe Steuern, welcher Art auch immer, bezahlen müssen, werden auf die Dauer versuchen, Druck auf den Staat auszuüben, damit das BGE so niedrig wie möglich angesetzt wird.“
Größere Vielfalt von Arbeitsverhältnissen
Nach Auffassung des Arbeitskreises sei allerdings eine grundlegende Erneuerung der Arbeitsgesellschaft notwendig, für die der Arbeitskreis zehn Impulse formuliert. Die Autoren sehen es als wichtigste Aufgabe von Politik und Wirtschaft an, für genügend unbefristete Arbeitsverhältnisse zu sorgen. Sie sehen in Zukunft eine größere Vielfalt von Arbeitsverhältnissen, zum Beispiel mit langer Teilzeit mit Rückkehrrecht, flexiblen Arbeitszeiten mit Wahlarbeitszeit und neue Formen gesicherter Selbständigkeit. Sachgrundlose Befristung müsse ausgeschlossen und Leiharbeit und Werkverträge – besonders auch im öffentlichen Bereich – müssten deutlich eingeschränkt werden. Sie sprechen sich für weitere flexible Arbeitszeitverkürzung aus, mit der 30-Stunden- oder der Vier-Tage-Woche als künftiger Durchschnittsgröße. Bei der Einkommenssicherung sollten auch neue Wege in Verbindung mit Teillohnausgleich und staatlichen Lohnersatzleistungen beschritten werden.
Mindestsicherung in allen Bereichen verbessern
Nach Auffassung des Arbeitskreises müsse die Mindestsicherung in allen Bereichen verbessert werden. Das gelte sowohl beim Mindestlohn, der Sicherung im Alter und als auch bei längerer Arbeitslosigkeit. Der Arbeitskreis stimmt Überlegungen zu, öffentliche und gemeinnützige Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Trotz hohem Beschäftigungsstand müssten Wege gesucht werden, für Menschen, die länger arbeitslos sind, sinnvolle soziale Arbeit zu fördern.
In den „Impulsen“ plädieren die Autoren angesichts der neuen Anforderungen durch die Digitalisierung der Arbeit für einen umfassenden Weiterbildungsanspruch und eine neue Humanisierungsoffensive. Eine „Arbeitsversicherung“, zu der die Arbeitslosenversicherung weiterentwickelt werden soll, spiele dabei eine wichtige Rolle.
Ausweitung der Mitbestimmung
Das Papier fordert eine Ausweitung der Mitbestimmung für alle Formen von Arbeit, die vom Betrieb/Unternehmen nach außen vergeben werden. In diesem Zusammenhang wird die Idee eines „modernen Heimarbeitsgesetzes“ erörtert mit Mindestnormen für Arbeit,Entlohnung und soziale Sicherung gerade für das sprunghaft anwachsende „Crowdworking“.
Die Autoren der Impulse wollen dabei an die Ursprünge des alten Heimarbeitsgesetzes, andas Konzept der Künstlersozialversicherung und an die rechtlichen Regelungen des Statusabhängiger Selbstständiger in anderen Ländern anknüpfen.
Sowohl bei den innovativen Arbeitszeitkonzepten als auch beim „Crowdworking“ sollte man nach Auffassung des Arbeitskreises bei den gewerkschaftlichen Vorstellungen anknüpfen und weiterdenken, wie beispielsweise beim jüngsten Tarifabschluss der IG Metall oder bei den Crowdworking-Plattformen von IG Metall und ver.di.